Wir werden, was wir streamen
Ich tue es ja nicht gern, aber ich kann häufig nicht widerstehen, beim Essen das ein oder andere YouTube-Video zu schauen. So weit, so schlecht. Nun hat sich nach über 10 Jahren einiges an Verlauf und Abos angesammelt und ich hatte heute einen klaren Moment beim Lesen von „Komm, ich erzähl dir eine Geschichte“ von Jorge Bucay (danke Tirza!):
Jede Regel, jeder Lehrsatz lässt sich überdenken, um ihn zu bestätigen oder zu korrigieren. Der Preis, den man dafür zahlen muss, ist, dass einem die Werteordnung durcheinander gerät und man so lange herumirrt, bis man eine neue Ordnung gefunden hat, die mit dem neuen Lebensgefühl übereinstimmt.
Wenn ich mir so meine Video-Empfehlungen auf der YouTube-Startseite anschaue, sind da verdammt viele „Regeln & Lehrsätze“, die mir eigentlich so gar nicht (mehr) taugen. „Milliardärs-Content“, wie ich es gerne nenne, zum Beispiel (wobei es da auch sympathische gibt, Naval oder Robert Herjavec). Ich hab‘ nichts gegen das Geldverdienen und bin auch ganz froh, mich seit meiner Jugend mit dem Silicon Valley und der ganzen “productivity-culture” auseinandergesetzt zu haben. Aber ich spüre, dass ich da auch an Grenzen komme und gerne weiterziehen möchte. Die guten Sachen gerne mitnehmend, aber nichtsdestotrotz weiterziehen.
In einem meiner Zitate-Kästen liegt bestimmt noch das Zitat
Wir werden, was wir denken
bzw. im Original von Plato
Wir werden, was wir streamen
Kurz gegoogelt (ja, tatsächlich Google und keine KI und ich habe sogar auf ein Ergebnis geklickt (aka eine Website))
reset youtube algorithm
Die Empfehlung war, den kompletten YouTube-Verlauf zu löschen. War eine kleine Überwindung, aber dann hab ich mich gefragt, wann ich da zuletzt reingeschaut habe (kürzlich erst, aber ich habe das gesuchte Video trotz Verlauf nicht gefunden).
Vermutlich könnt ihr euch das sparen, zumindest hatte es bei mir keine Auswirkungen.
Das Ausmisten der 100+ Abos hingegen schon. Es hatte etwas Nostalgisches, durch die teilweise sehr alten Kanäle zu gehen, nochmal reinzuschauen und dann zu de-abonnieren. Fühlte sich an wie Frühjahrsputz.
Dann habe ich schnell nach ein paar „Ökodorf“- und „intentional community“-Videos gesucht, kurzerhand 2-3 Kanäle abonniert, und schon sieht die Startseite deutlich… nun ja, mehr nach meinem aktuellen (Wunsch-)Leben aus.
Hat vielleicht eine Stunde gedauert, gibt mir jetzt aber ein deutlich besseres Gefühl, wenn ich beim nächsten Essen YouTube öffne. Weniger Ablenkung, mehr Inspiration.
P.S.: Wer das rabbit hole der YouTube-Startseite generell vermeiden möchte und trotzdem gelgentlich gezielt nach Videos suchen will, dem sei folgende Browser-Erweiterung empfohlen: Unhook – Remove YouTube Recommendations (Chrome / Firefox). Die blendet einfach die ganzen Vorschläge auf der Startseite und neben Videos aus.